Dank einiger großzügiger Freunde durfte ich mich anlässlich meines runden Geburtstages auf eine Stunde mit einem echten Sportwagen freuen.
Echt, weil tief, leicht, 2-sitzig, offen und antrittsstark. Etwas gewöhnungsbedürftig, weil ohne „Motor“. Zumindest ohne Benzin oder Dieselmotor. Im Heck der 1200 kg Flunder aus Aluminium und kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff werkt ein Elektromotor, welcher von einem mächtigen Akku gespeist wird. Der Antrieb leistet ca. 400Nm und beschleunigt in 3.7 Sekunden auf 100km/h. Die Leistung entspricht 290PS. Alles ohne Kraftverlust im unteren Drehzahlbereich und ohne Schaltvorgang.
Die unmittelbar zur Verfügung stehende Kraft bekommt man beim ersten etwas entschlosseneren Druck auf das „Gas“-Pedal sofort zu spüren. Aus dem Stand schießt der kleine Roadster nur so von der Stelle. Fast ganz ohne Geräusch! Die Traktionskontrolle arbeitet sauber und unauffällig.
Was dem Fahrer als erstes auffällt, ist natürlich das Windgeräusch bei geöffnetem Dach (für Insassen über 180cm auch dringend zu empfehlen!). Dazu kommt ein leichtes Pfeifen aus dem Heckbereich. Die Ventilatoren, welchen den Akku auf optimaler Betriebstemperatur halten sollen hört man im Fahrbetrieb nicht. Das Abrollgeräusch der Reifen ist natürlich wie bei jedem Auto zu hören und wie man weiß ab einer bestimmten Geschwindigkeit lauter als das Motorengeräusch eines konventionellen Motors.
Die Fahrleistungen sind, in Verbindung mit der tiefen Lage und dem relativ geringen Gewicht, beeindruckend. Auch die Straßenlage bei sehr dynamischer Fahrweise in der Kurve macht definitiv Spaß. Will man es übertreiben, greift die Elektronik deutlich ein und reduziert den Vortrieb in der Kurve markant. Ein Drift um die Kurve ist somit nicht möglich. Diese ganzen Helfer kann man jedoch deaktivieren, das wurde mir aber ausdrücklich untersagt.
Das Auto verfügt über keine Servolenkung, was in Verbindung mit dem sehr kleinen Sportlenkrad in schnellen Kurven einen ungewohnt hohen Kraftaufwand erfordert. Vom Einlenken im Stand gar nicht zu sprechen. 225er Reifen ohne Servolenkung. Auch der Bremskraftverstärker entspricht nicht dem Standard, den die meisten PKW heutzutage vorweisen können. Das Bremsen erfordert einen deutlichen Kraftaufwand, an den man sich in den ersten Minuten gewöhnen muss. Sonst ist man mit dem Bremsen schon gerne mal zu spät dran.
Die Reichweite beträgt max. 350km mit voll geladenem Akku. Dies gilt jedoch nicht für Autobahnfahrten! Das anspruchsvollste Terrain für den Elektroantrieb bzw. den Akku ist die Autobahn. Hier wird bei weitem nicht die maximale Reichweite erzielt. Schon gar nicht bei flotterem Tempo.
Nach ca. 20 Minuten mit anspruchsvollem Fahren teilweise bergauf unter Ausnutzung der maximalen Beschleunigung dann die Ernüchterung. In den Armaturen leuchtet plötzlich die Anzeige „Power Max“ auf und die zur Verfügung stehende Leistung wird auf ca. ein Drittel bis die Hälfte gemindert. In langsamer Fahrt sind die Ventilatoren der Klimaanlage für den Akku deutlich zu hören. Der Motor (oder der Akku?) sind zu heiß gelaufen und bedürfen einer Abkühlung, obwohl die Außentemperaturen nicht über 25 Grad liegen. Nach ca. 10 Minuten in schonender Fahrweise steht die gewohnte Leistung wieder zur Verfügung. Eine doch etwas enttäuschende Performance für einen Sportwagen mit einem Preis von ca. 90.000 Euro, der die Möglichkeiten und Vorzüge der kommenden Elektromobilität demonstrieren soll.
Auch die Verarbeitung im Innenraum ist weit entfernt vom Standard, den z.B. ein Fahrzeug einer deutschen Premium Marke bei vergleichbarem Preis bietet. Das kleine Sportlenkrad gibt knarrende Geräusche von sich und wirkt nicht sehr solide. Weder Materialien, Design oder Verarbeitung im Innenraum können es mit konventionellen Fahrzeugen dieser Preisklasse aufnehmen. Hier wurde anscheinend das meiste 1:1 vom Lotus, der die Basis des Fahrzeugs bildet, übernommen. Das Infotainment System ist ein System von ALPINA und vor allem das Navi entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Die Sitze, obwohl nicht verstellbar und nur für den Fahrer im Abstand zum Lenkrad justierbar, bieten einen guten Sitzkomfort und ausreichend Seitenhalt in schnellen Kurven. Für mich als BMW Fahrer im Innenraum trotzdem ernüchternd. Es versteht sich von selbst, dass bei diesem Fahrzeug das Hauptaugenmerk nicht auf dem Design des Innenraums liegt, jedoch sollte für genannte Summe meiner Meinung nach doch mehr geboten werden.
Was hingegen erstaunlich gut funktioniert, sind die zahlreichen elektronischen Helferlein. Nicht nur die Traktionskontrolle sowie das ESP ähnliche System in den Kurven, vor allem die imitierte Motorbremswirkung verblüfft. Sowohl beim Auflaufen auf Verkehr als auch beim bergab Fahren ist kaum (schwergängiger) Bremseinsatz notwendig. Geht man vom Gas, ist eine deutliche Verzögerung zu spüren, die beim bergab Fahren gefühlt noch weiter erhöht wird. Die dabei gewonnene Energie wird wiederum in den Akku zurückgeführt. Welche Sensoren bzw. Messparameter hier zum Einsatz kommen ist mir nicht bekannt, die Effektivität ist aber erstaunlich.
Fazit
Ein tolles, Go-Kart ähnliches Fahrverhalten und ein toller Antritt aus dem Stand bzw. aus langsamen Geschwindigkeiten. Man freut sich richtiggehend, wenn vor einem Verkehr zum Überholen auftaucht. Gute Kurvenlage und straffes in 10 Stufen justierbares Fahrwerk. Direktes Fahrgefühl durch fehlende Servolenkung und schwachen Bremskraftverstärker. Trotz der Go-Kart Eigenschaften ein guter Mix aus Straßenlage und Komfort.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist meiner Meinung nach kein sonderlich gutes. Für längere Fahrten, die zwar nicht regelmäßig, aber doch immer wieder mal vorkommen, ist das Fahrzeug nicht geeignet. Die Verarbeitung im Innenraum ist für den genannten Preis von ca. 90.000 Euro nicht angemessen. Es gibt so gut wie keinen Stauraum, da der Kofferraum vom Akku in Anspruch genommen wird. Für große Fahrgäste ab 185cm Körpergröße wird der Platz nach oben deutlich knapp.
Der Betrieb des Fahrzeugs ist jedoch vergleichsweise preiswert. Eine volle Akkuladung kostet ca. 9 Euro. Die Steuern sind äußerst gering, da das Fahrzeug (zumindest in Österreich) mit nur ein paar wenigen PS typisiert ist.
Ein reines Spaßgerät für die kurvige, hügelige Landstraße bei trockenem Wetter und Fahrbahn. Dort ist das Auto in seinem Element und macht auch mächtig Freude. Die Bedingungen, für die das Auto am besten passt, könnte man am ehesten mit „Motorrad-Bedingungen“ zusammenfassen.
Wer das nötige Kleingeld auslegen möchte, beschafft sich mit diesem Fahrzeug ein tolles, umweltfreundliches Spaßgerät für einen Ausflug in der näheren Umgebung (ich meine die Umgebung ohne Verkehrskontrollen!) welches im Betrieb deutlich günstiger kommt als ein konventioneller Sportwagen.
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